Der Hochzeitsanzug – Outfits für den Bräutigam
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Der Bräutigam hatte noch nie die Qual der Wahl und eine große Auswahl. Er musste mit seiner Garderobe nur ein paar Hochzeitsregeln einhalten. Doch dann machten junge Adlige in England eine bahnbrechende Entdeckung …die interessante Geschichte des Hochzeitsanzuges und wie man ein Schnittmuster für diesen besonderen Anzug konstruiert erfahrt Ihr im folgenden Beitrag.
Inhalt
- Im Wandel der Zeit – Die Geschichte des Hochzeitsanzuges
- Schnittkonstruktionen für den Hochzeitsanzug
- Schnittkonstruktion Gehrock
Im Wandel der Zeit – Die Geschichte des Hochzeitsanzuges
Mit dem Entschluss, in den Hafen der Ehe zu segeln, beginnt für Brautleute bekanntlich eine stürmische Zeit. Im Mittelpunkt aller Diskussionen stand und steht bis heute das Brautkleid: Wie soll es aussehen? Die emotionalste, kniffligste und wichtigste Hochzeitsfrage. Kein großes Thema war dagegen das Outfit für den Bräutigam. Es herrschte durchweg Einigkeit: Der Mann richtet sich mit seiner Garderobe nach der Frau. Trägt sie zum Beispiel ein schlichtes Kleid, darf er ihr in einer extravaganten Kleidung nicht die Show stehlen. In Foto-Archiven der Vergangenheit ist zu entdecken, dass sich Männer auf Hochzeiten am liebsten im dunklen Anzug, weißem Hemd und weißer Fliege unspektakulär präsentierten. Vielleicht wäre das auch heute noch genauso, wenn nicht die Männerwelt in England dieser Eintönigkeit ein jähes Ende bereitet hätte. Alles Umdenken begann mit dem »Frock«, einem Kleidungsstück englischer Arbeiter. An Hochzeit dachte da noch niemand. Junge Adlige griffen sich das ungewöhnliche Teil (von der Brust abwärts schräg verlaufend nach hinten geschnitten) und zogen es erstmal »nur so« zu informellen Anlässen an. Der »Frock« fand aber schnell seine Freunde, gelangte nach Frankreich, wurde dort als »frac à l’anglaise« immer populärer, bestimmte Ende des 18. Jahrhunderts das Straßenbild und wurde dann vom englischen Adel mit seinen denk- und merkwürdigen Regeln zum Dresscode aufgewertet.
Ab 1850 etwa wurde der Frack »nur« noch zu besonders festlichen Anlässen getragen. Auch in deutschen Adelskreisen machte er Karriere und mauserte sich als König der Herrenkleidung zum Muss für den Bräutigam – allerdings als Abendanzug. Seine Alternative tagsüber war damals und ist es heute noch der Cut, eine Art Gehrock. Gegen 1930 gab es aber plötzlich Konkurrenz. Der Smoking auch so eine britische »Erfindung« und zunächst nur in Rauchsalons englischer Herrenclubs getragen – wurde wegen seines festlichen Charakters (Seidensatin auf dem Kragen und Seidenstreifen außen an den Hosenbeinen) schnell »hoffähig« und eroberte die Bräutigam-Mode des Adels und der feinen Gesellschaft. Von Jahr zu Jahr wurde der Smoking – vor allem bei der jüngeren Generation – eine immer populärere Alternative zum eher altmodischen und konservativen Frack. Als weitere Hochzeits-Alternative in vornehmen und reichen Kreisen entpuppte sich in den zwanziger Jahren der sogenannte »Stresemann«, benannt nach seinem »Erfinder« und erstem Träger, nach Außenminister Gustav Stresemann (1878 – 1929). Das Markenzeichen: eine schwarz-grau-gestreifte Hose.
Bis heute haben sich Frack, Smoking, Cut und Stresemann als ein Privileg gehobener Gesellschaftsschichten und des Adels gehalten. Die bürgerliche und weiterhin beliebteste Mode-Variante für den Bräutigam ist traditionell der elegante, hochwertige, gepflegte Hochzeitsanzug. Sein unschätzbarer Vorteil: Er passt sich nahtlos auch den modernsten Trends an und besticht durch seine kreative Flexibilität.
Schnittkonstruktionen für den Hochzeitsanzug
Die Mode für den »schönsten Tag« lässt in der Ausgestaltung mehr Spielraum zu und zeigt sich phantasievoller als die klassische Herrenbekleidung.
Die in dem E-Dossier Schnitt-Technik Hochzeitsanzüge gezeigten Anzugjacken (Sakko und Gehrock) haben interessante Kragenlösungen und sind von der vorderen Mitte zurückgeschnitten. Die Oberteile werden somit offen getragen und lassen den Blick auf kreativ gezeichnete Westen sowie Plastrons zu. Die Bundfaltenhose ist hochgeschnitten, sodass das Hemd nicht unter der Weste hervorblitzt oder mit einem angeschnittenen Bund flach gearbeitet, um mit einem Kummerbund getragen werden zu können. Biesen als festliches Detail kennzeichnen das Hemd.
Schnittkonstruktion Gehrock
(Ein Auszug aus dem E-Dossier Schnitt-Technik Hochzeitsanzüge )
- offenkantig/ Kante hinter v.M.
- Stehbrust mit 6 Knopflöchern
- spitzer Umlegekragen
- Brustleistentasche
- Frankfurter Taschen
- Hakenschlitz
- Wiener Nähte
- Ärmelschlitz mit 4 Knopflöchern
- Länge: 94 cm
Vorder- und Rückenteil Jacke
Das Halsloch an der h.M. um 0,5 cm, an der Schulter um 0,8 cm und an der v.M. 2 cm vertiefen und neu auszeichnen. Den Schnitt parallel um 18 cm auf die neue Länge von 94 cm verlängern. An der Seitennaht am Saum jeweils ca. 0,8 cm ausstellen und die Naht über den Hüftbogen neu auszeichnen. Für den Hakenschlitz an der hinteren Mitte 2,5 cm Über– und Untertritt anstellen. Die Schlitzlänge beträgt 45 cm. Taille und Saum im Rückenteil jeweils halbieren und eine gerade Linie für die Wienernaht angeben. Brustumfangslinie und Armloch wie gezeigt aufteilen, eine weitere Hilfslinie festlegen und die Wienernaht wie dargestellt auszeichnen.
Vordere Kante in Taillen- sowie Brusthöhe um 1 cm und am Halsloch um 1,5 cm nach innen verlegen. Kante auszeichnen, dabei entstehende Ecken ausgleichen und Kante nach unten mit einen flachen Übergang über eine Rundung am Saum einlaufen lassen. Kragenansatz 3 cm hinter der vorderen Kante markieren. Das oberste Knopfloch 3 cm unter dem Halsloch, das unterste 2,5 cm unter der Taschenmitte markieren und alle weiteren Knopflöcher dazwischen im Abstand von 1,5 cm zur Kante platzieren. Frankfurter Tasche und die Leistentasche nach Vorlage konstruieren. Fadenläufe im Seiten- und Rückenteil jeweils im Winkel zum Saum angeben, im Vorderteil verläuft der Fadenlauf entlang der Abnähermitte.
Viele Schnittanleitungen und fertige Schnittmuster zum Nähen von Kleidung für Braut, Bräutigam und Hochzeitsgäste findet Ihr in unserem Onlineshop.
Der Schnitt des Gehrocks mit der offenen Kante, dem Kragen und den Wiener Nähten gefällt mir sehr gut. Wäre es prinzipiell möglich, den Schnitt etwas zu kürzen, also von der Länge her eher in Richtung Sakko zu gehen?
Lieber Stephan,
Ja das ist möglich, die Länge kann individuelle gestaltet werden.
Viele Grüße, Dein M.Müller & Sohn Team
Super, vielen Dank für die schnelle Antwort, dann werde ich das Modell bald einmal schneidern.
Welche Größen gibt es bei den Sakkos? Bei dem Hockzeitsanzug?
Hallo Juliane, bei dem E-Dossier Schnitt-Technik Hochzeitsanzüge handelt es sich um eine Anleitung zur Schnittkonstruktion. Die Konstruktionen sind am Beispiel einer HAKA Gr. 50 gezeigt, Du kannst aber mit dieser Anleitung auch jede andere Größe konstruieren, da in den hier benutzten Formel die Maße ausgetauscht werden können. Du kannst einfach die selbst gemessenen Maße oder Maße aus einer Konfektionsgrößentabelle einsetzen. Viele Grüße, Dein M.Müller & Sohn Team
Ich fände diesen Schnitt echt schön, aber für Anfänger wohl zu gefinkelt? Lg
Hallo Nadine, natürlich empfehlen wir Dir als Anfänger mit einer einfachen Schnittkonstruktion zu beginnen. Du solltest Dich zuerst mit grundlegenden Regeln der Schnitt-Technik vertraut machen und dann zu komplexeren Projekten wie dem Hochzeitsanzug übergehen. Obwohl der Schnitt sehr schön aussieht, erfordert er fortgeschrittene Fähigkeiten, um ihn erfolgreich umzusetzen. Vielleicht versucht Du es für den Anfang mal mit einer Weste 😊 Viel Erfolg beim Konstruieren 🍀
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Vielen Dank für den ausführlichen Bericht zum Thema Hochzeitsanzüge für Herren. Mein Bruder will, dass ich ihn nächste Woche bei seinem Outfit berate. Er heiratet diesen Sommer. Ich kenne mich leider mit Herrenanzügen aus und weiß nicht, was ein Smoking ist. Dank des Beitrags kann ich meinen Bruder jetzt professionell beraten.