Die richtige Fadenspannung
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Der Einflussfaktor der Fadenspannung für die Nahtqualität – Wenn auch Ihr euch ärgert, dass der Stich einmal zu lose im Stoff ist, das Garn schlecht eingezogen oder sogar Nahtkräuselungen erzeugt, dann wird Euch dieser Beitrag sicherlich interessieren. Hier findet Ihr die Lösung für Euer Nähmaschinenproblem.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Fachbuch “Atelier – Fachwissen aus der Praxis Teil 1“. In diesem Buch findet Ihr weitere Informationen und Anleitungen zur textilen Verarbeitung.
Was ist Fadenspannung?
Jede Nähmaschine hat mindestens eine Fadenspannung – in diesem Fall handelt es sich um eine einfädige Nähmaschine, z.B. Einfach-Kettenstich, Blindstich oder ähnliches. Beim Doppelsteppstich haben wir zwei Fadenspannungen, weil jeder Faden einzeln abgebremst werden muss und sich separat einstellen lässt. In diesem Beitrag wollen wir uns auf den Doppelsteppstich beschränken, weil dies der wichtigste Nahtstichtyp ist und meist verantwortlich für eine Vielzahl von Nahtkräuselungen, welche unter anderem auch durch die Fadenspannung hervorgerufen werden – der Fachmann spricht bei diesem Problem von Spannungskräuselungen im Stoff. Das Garn muss bei seinem Lauf von der Spule bis in die Naht gebremst werden. Dies geschieht durch die verschiedenen Fadenleitorgane, d.h. Ösen und Umlenkstellen an der Maschine bis hin zur Fadenspannung, welche man zusätzlich einstellen kann.
Wie funktioniert Fadenspannung?
Bei den Industrie- und meisten Handwerksmaschinen liegt die Oberfadenspannung auf der Vorderseite und besteht aus zwei kleinen Scheiben, die durch eine Feder zusammengedrückt werden. Auf der Vorderseite ist dann zumeist eine nach rechts und links drehbare Kappe angebracht, die den Druck auf die Spannungsscheiben vermindert oder erhöht. Dabei gilt: Drehen nach rechts höhere Fadenspannung, nach links geringere Fadenspannung. Haushalts-Nähmaschinen haben teilweise die Fadenspannungen verdeckt, sichtbar wird nur noch ein Rädchen an dem sich die richtig Fadenspannung einstellen lässt. Dies ist optisch sicherlich eine gute Lösung, Verschmutzungen aber lassen sich nur vom Fachmann entfernen. Bei den Industrie-Nähmaschinen muss das Garn über eine kleine Schraube oder Feder gelenkt werden, welche Fadenanzugsfeder heißt. Diese Fadenanzugsfeder sollte einen Weg von 4 bis 6 mm zurücklegen und bei Eindringen der Nadel in den Stoff in Ruhestellung sein.
Sie hat die Aufgabe, die Unzulänglichkeit der Nähmaschine auszugleichen – das, was die Nähmaschine über den Fadenhebel an Nähfaden vorgibt, ist nicht genau das, was zum Stichbildungsvorgang benötigt wird, dies gleicht die Fadenanzugsfeder aus. Auch der Unterfaden muss gebremst werden. Dieser läuft unter einem Plättchen an der Spulenkapsel hindurch. Dieses Plättchen weist üblicherweise zwei Schrauben auf. Die Schraube am Ende hat die Aufgabe das Plättchen festzuhalten, die zur Mitte hin liegende ermöglicht einen unterschiedlichen Druck und damit auch eine unterschiedliche Spannung für den Faden.
Einstellen der richtige Fadenspannung
Ausgangsbasis ist jeweils die Spannung des Unterfadens. Bewickeln Sie die Spule des Unterfadens, setzen Sie diese in die Kapsel ein und ziehen Sie den Faden unter der Spannungsfeder heraus. Ergreifen Sie das Fadenende und lassen dann die volle Spule mit der Kapsel nach unten hängen. Wenn Sie jetzt eine leichte Auf- und Abwärtsbewegung durchführen, sollte die Spule mit der Kapsel heruntergleiten. Damit wäre die Spannung des Unterfadens schon einmal richtig eingestellt – wenigstens theoretisch. Gleitet die Spulenkapsel nicht nach unten, so muss die Fadenspannung durch Drehen gegen den Uhrzeigersinn geöffnet werden. Rutscht sie hingegen sofort nach unten, so muss die Fadenspannung durch leichtes Drehen im Uhrzeigersinn erhöht werden. Hierauf muss nun die Oberfadenspannung eingestellt werden.
Es ist sinnvoll, das Garn des Ober- und Unterfadens in unterschiedlicher Farbe und in Kontrast zum Stoff zu wählen, damit man die Stichverschlingung besser erkennen kann. Die Stichverschlingung sollte in der Mitte des Stoffs liegen, d.h. weder auf der Ober noch Unterseite sichtbar sein. Dies funktioniert natürlich nur dann, wenn das Gewebe nicht zu fein ist, deswegen nicht unbedingt für die Einstellung den dünnsten Stoff wählen. Liegt die Verknotung auf der Oberseite, so ist die Oberfadenspannung zu hoch, d.h. Spannung gegen den Uhrzeigersinn öffnen. Liegt die Stichverschlingung auf der Unterseite, so muss die Oberfadenspannung durch Drehen im Uhrzeigersinn erhöht werden. Damit wäre die Maschine in Bezug auf die Fadenspannung optimal eingestellt.
Auch der Nährhythmus ist entscheidend
Einmal ist die Naht gleichmäßig, dann wieder bilden sich auf der Unterseite Schlaufen, bisweilen auch auf der Oberseite. Nähen Sie gleichmäßig? Wenn Sie den in der Industrie vielfach praktizierten Rhythmus des ruckweisen Nähens übernommen haben, so kann die Naht nicht gleichmäßig werden. Bremsen Sie die Maschine, läuft die Unterfadenspule nach, beim Wiederannähen sind die ersten Stiche auf der Oberseite verschlungen. Entweder Sie ändern Ihre Arbeitsweise durch ein gleichmäßiges Nähen oder Sie müssen die Unterfadenspannung und anschließend darauf die Spannung des Oberfadens etwas erhöhen, um ein gleichmäßiges Stichbild zu erlangen. Dies geht aber auf Kosten der Nahtqualität, da höhere Fadenspannungen den Nähfaden stärker strapazieren, d.h. Sie haben weniger Nahtfestigkeit und auch weniger Nahtdehnung.
Noch wichtiger ist aber bei dünnen Stoffen das Nahtkräuseln durch den unnötig gedehnten Nähfaden. Können Sie längere Nähte nicht ohne abzusetzen nähen und müssen demzufolge zwangsweise ruckweise arbeiten? Dann ist Ihre Nähgeschwindigkeit sicherlich zu hoch eingestellt. Die Nähgeschwindigkeit sollte nicht so hoch wie möglich, sondern wie nötig gewählt werden. Bei modernen Nähmaschinen gibt es hierzu entsprechende Einstellelektronik, bei den älteren Maschinen wird ein kleineres Antriebsrad am Motor angebracht und schon läuft die Nähmaschine langsamer.
Der Weg des Fadens zur Nadel
Haben Sie sich einmal angesehen, wie die Nähfaden-Spule auf der Nähmaschine steht? Bei den Haushalts-Nähmaschinen kann man nicht viel falsch machen, wohl aber bei den Industrie-Nähmaschinen, bei denen der Faden über Kopf abgezogen wird und die Spule steht. Hängt die Spule vielleicht schräg, weil Sie keinen geeigneten Untersetzer besitzen? Diese Untersetzer sind sehr wichtig, denn nur bei einem senkrechten Stand der Spule kann der Nähfaden auch einwandfrei ablaufen ohne gebremst zu werden. Läuft der Faden auch senkrecht in die Fadenführungsöse am Fadenständer? Der Nähmaschinenspezialist spricht hier vom „Galgen“. An diesem Galgen sind zumeist mehrere Öffnungen angebracht und nur die ist richtig, die genau oberhalb der Spule steht. Dass der Galgen genau über der Spule stehen muss und nicht seitlich weggedrückt ist, sollte bekannt sein.
Was passiert nun, wenn der Faden durch fehlenden Untersetzer oder nicht richtige Lage des Galgens geführt wird? Die Naht wird ungleichmäßig, weil der Faden nicht einwandfrei von der Spule abgleiten kann. Unter Umständen kann der Nähfaden sogar brechen, was doppelt ärgerlich ist. Auch sollte erwähnt werden, dass die Aufsteckrichtung für den Nähfaden sehr wichtig ist. Beim Ablauf über Kopf wird nämlich die Drehung des Nähfadens verändert. Läuft der Faden im Uhrzeigersinn ab, so wird die bestehende Drehung erhöht und damit der Faden unruhig. Beim Fadenablauf gegen den Uhrzeigersinn wird die Drehung vermindert und der Faden dadurch beruhigt. Unter Umständen kann der Faden bei falschem Ablauf so unruhig werden, dass sich Kringel bilden, die zu ungleichmäßigem Sticheinzug und sogar zum Fadenbruch führen. Üblicherweise sollte eine Spule so bedruckt sein, dass, wenn sie lesegerecht aufgesteckt wird, der Faden richtig abläuft.
Fadenglätter
Vom Galgen des Garnständers läuft dann der Faden in die Nähmaschine. Auf seinem Weg wird er über verschiedene Ösen geführt, diese nennt der Fachmann „Fadenglätter“.Wie schon der Name sagt, soll verhindert werden, dass der Nähfaden, der ruckweise abgezogen wird, zusammenspringt, sich gegebenenfalls verschlingt und unter Umständen sogar reißt. Über den Fadenheber geht es in Richtung Nadel, wo der Faden z.B. so durch eine Öse geführt wird, dass er senkrecht in die Nadel einläuft. Damit wird erreicht, dass der Nähfaden in der langen Rille liegt und somit geschützt ist. Ist diese Öse verbogen, abgebrochen oder der Faden nicht eingefädelt, so geschieht es schnell, dass der Faden auch von der Seite in die Rille hineinläuft, er wird unterschiedlich gebremst und die Naht dadurch ungleichmäßig.
Pflege der Nähmaschine
Wer näht, sollte auch seine Nähmaschine pflegen. Im Laufe der Zeit bilden sich Faserflug vom Gewebe sowie vom Nähfaden und deswegen muss die Nähmaschine von Zeit zu Zeit gereinigt werden. Dies betrifft besonders den Bereich unter der Stichplatte. Deswegen ist es wichtig, von Zeit zu Zeit die Stichplatte abzuschrauben und die Verschmutzungen herauszublasen. Um Staub zu vermeiden, kann auch ein kleiner Pinsel hilfreich sein. Da dieser Faserflug wie ein Schwamm Öl aufsaugen kann, sind die Greifer vielfach „trockengelaufen“, was bei längerem Nähen an der Erwärmung zu erkennen ist. Deswegen sollte nach dem Reinigen unbedingt ein Tropfen Öl auf die Greiferbahn gebracht werden. Diese Verschmutzungen können zu einer ungleichmäßigen Naht führen und unter Umständen sogar zum „Tod“ des Greifers führen, wenn dieser heiß geworden ist. Je nach Nähmaschine muss man bisweilen schon deutlich über 50 Euro für einen neuen Greifer bezahlen, der vom Fachmann eingesetzt werden muss. Auch ein neuer Greifer muss einlaufen, d.h. der neue Greifer kann unruhig laufen und den Nähfaden strapazieren. Deswegen ist die Nähmaschinenpflege sehr wichtig.
Nadel- und Nähfadendicke
Unnötig hohe Fadenspannungen können aber auch andere Ursachen haben. Sind Nähfaden und Nadel richtig aufeinander abgestimmt? Eine zu dünne Nadel bewirkt eine Stauchung des Nähfadens im Nadelöhr. Für einen gleichmäßigen Sticheinzug muss dann die Fadenspannung erhöht werden, der Nähfaden wird unnötig gedehnt und erzeugt unter anderem Spannungskräuselungen. Die Tabelle gibt Ihnen entsprechende Hinweise für die richtige Abstimmung.
Qualität des Nähfadens
Ursache einer ungleichmäßigen Naht kann natürlich auch der Nähfaden sein. Dick- und Dünnstellen im Nähfaden führen nicht nur zu einem ungleichmäßigen Stichbild, sondern auch zu Schwachstellen in der Naht. Dies sollte aber mit einem hochwertigen Nähfaden nicht zutreffen. Aus dem Faden wird durch eine spezielle Ausrüstung aus Silikonen und Wachs der Nähfaden. Diese Ausrüstung gewährleistet gleichmäßige Gleiteigenschaften, was die Voraussetzung für die gute Vernähbarkeit ist. Diese durch die Ausrüstung erzeugten Gleiteigenschaften sollten von Spule zu Spule gleich sein, damit die Fadenspannung nicht nachreguliert werden muss. Sicherlich kennen Sie von den Naturfasern, speziell von der Baumwolle und der Seide, den Einfluss der Färbung auf die Gleiteigenschaften. Bei Farbwechsel musste vielfach die Fadenspannung nachreguliert werden. Bei den hochwertigen Polyester- Nähfäden ist dies aber nicht mehr erforderlich. Fadenspannungen können aber auch produktspezifisch sein, d.h. der Nähfaden besitzt nun einmal ungünstige Eigenschaften.
Ein typisches Beispiel sind die monofilen Nähfäden, die eine hohe Dehnung besitzen und demzufolge auch mit viel Fadenspannung vernäht werden müssen. Beim Nähprozess wird der Faden gedehnt, in der Naht springt er dann wieder zurück und erzeugt so Spannungskräuselungen. Je dünner das Gewebe, um so mehr treten diese Spannungskräuselungen auf. Ein Nähfaden mit einer geringeren Dehnung aus Polyester ist demzufolge deutlich günstiger. Das Dehnen des Nähfadens durch die hohe Fadenspannung bewirkt aber nicht nur nach dem Nähen einen Rücksprung in der Naht, sondern auch noch eine Veränderung in seiner Verhaltensweise. Ein hochwertiger Nähfaden sollte schrumpffrei sein. Dies kann man sehr leicht nachprüfen, indem man 1 m Nähfaden mit Dampf bügelt oder sogar kocht. Der Schrumpf wird minimal sein.
Beim Nähen wird der Faden aber gedehnt, dies hängt ganz entscheidend vom Nähfaden ab. Je höher die Dehnfähigkeit des Nähfadens, um so höher muss auch die Fadenspannung gewählt werden und um so mehr wird der Faden auch gedehnt. Wenn Sie dann den Nähfaden nach dem Nähen heraustrennen und diesen Schrumpf wiederum messen, werden Sie mit Schrecken feststellen, dass der Nähfaden um bis zu 5 % geschrumpft ist. Deswegen sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass nicht nur der Nähfaden eine nicht zu hohe Dehnfähigkeit besitzt, sondern auch die Maschine auf die geringstmögliche Fadenspannung eingerichtet ist. Somit ersparen Sie Ihrem Kunden bei pflegeleichter Kleidung viel Bügelarbeit.
Weitere Anleitungen zur Schnittkonstruktion und fertige Schnittmuster zum Nähen findet Ihr in unserem Onlineshop.
Vielen Dank für diese nützlichen Tipps!
Viel Vergnügen beim Nähen!
Viele Grüße, Dein M.Müller & Sohn Team