Historische Herrenmode – Revolutionszeit und Empire
Revolutionszeit und Empire 1770 – 1815
Im Laufe des 18. Jahrhunderts nahm der Einfluss der englischen Lebensformen auf den Kontinent zu und setzte damit auch in der Mode einen Gegenentwurf zur tonangebenden französischen Gesellschaft. Mitte des 18. Jahrhunderts – vor der französischen Revolution – entwickelte sich parallel zur höfischen Mode des Rokoko in England eine Tagesmode, die ebenso vom englischen Adel wie vom Bürgertum getragen wurde.
Die Kleidung unterschied sich von der Hofmode insbesondere durch Schlichtheit, Robustheit, Bequemlichkeit und lehnte sich teilweise den Uniformfräcken an, die neben dem Streben nach Eleganz auch eine gewisse Praktikabilität aufweisen mussten, z. B.
- andere Stoffwahl (Wollstoffe)
- Verlust der Falten im hinteren Schoß
- vorne mit Knöpfen zu schließen
- durch die Wahl der Tuche eine größere Unempfindlichkeit und Bequemlichkeit
- bekam einen weichen Stehumlegekragen
- schmale Ärmel, die bis zum Handgelenk reichten
- schmale Ärmelstulpen
- bekam ein Revers Die Weste, die zwar weiterhin aus Piqué oder Seidenstoff geschnitten wurde, veränderte sich ebenfalls
- Verlust der Schöße
- vorne durchgeknöpft
- schließt unten in einer geraden Kante ab
Bis zur französischen Revolution wurde zu diesem Frack die Kniebundhose getragen. Trugen in Frankreich diese Mode nur das reiche Bürgertum und Freigeister, setzte sie sich nach der französischen Revolution als tonangebend durch. Dies zog nach sich, dass sie viel von ihrer Einfachheit verlor. Die diese Entwicklung auf die Spitze trieben, waren die französischen „Incroyables“, die diese Tracht so abänderten, dass von ihrem Ursprung nicht mehr viel übrig blieb. Schnittlich veränderte sich die Männermode im Gegensatz zur Damenmode nicht grundsätzlich, die große Wende kam erst mit dem Biedermeier. So basieren diese beiden Modelle auf Schnitten des Rokoko mit einigen Abänderungen, die das Bild dieser bewegten Zeit ausmachten. Den nachfolgenden Beiträgen liegen die Grundschnitte des Justaucorps, der Schoßweste und Kniehose zugrunde.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch Historische Schnitte HAKA. Hier finden Sie die Schnittaufstellungen für den englischen und französischen Frack.
Der Ärmelschnitt des „Französischen Fracks“ bezieht sich auf den Grundschnitt für den Wams bzw. für den Gehrock. Grundsätzlich gibt es zu allen Schnitten zu sagen, dass Abnäher zu vermeiden sind, da sie das historische Bild stören. Nun mag das zwar historisch korrekt sein, aber für die Passform und die Bequemlichkeit nicht immer von Vorteil, so dass immer ein Abwägen zwischen Kostümbildner, Träger des Kostümes und Gewandmeister stattfinden muss, auf welchen Aspekt mehr Gewicht gelegt werden soll und welchen Kompromiss man eingeht. Hilfreich ist häufig ein Schrägschnitt, wodurch man zum einen das auf vielen alten Gemälden zu sehende Zusammenlaufen des Musters zum Hals und das Mitlaufen des Musters mit der schräg weggeschnittenen Kante erreicht und zum anderen hinten an der Flankennaht das Vorderteil im schrägen Fadenlauf liegt, so dass eine Dressur kolossal erleichtert wird. Bei geradem Fadenlauf und festen Stoffen sollte man doch überlegen, den Abnäher unter dem Arm zu benutzen, weil er für die Passform enorm vorteilhaft ist. Wir stellen einen englischen Frack mit Kniehose und Weste vor, der ab 1760/1770 und einen französischen Frack mit Weste und Hose, der nach der Französischen Revolution getragen wurde.
Englischer Frack
Modellbeschreibung
- 5–6 cm Mehrweite im Bu-Bereich, im Laufe der Zeit weniger
- Vorne geknöpft mit Revers und weichem Stehumlegekragen
- schmaler Ärmel bis zum Handgelenk, evtl. mit schmaler Stulpe
- evtl. Hakenschlitz, allerdings noch meist unterhalb der Taille
- max. kleine Falte im Schoß
- flache Kugel
- Knielänge
Englische Weste
Modellbeschreibung:
- gerade untere Kante
- hochgeknöpft
- Stehkragen aus der v.M. zurücktretend
- Leistentasche
- relativ lang
Englische Hose
Modellbeschreibung:
- Die Kniehose wird noch bis zur Französischen Revolution getragen
- Vorne mit Latz geschlossen
Französischer Frack
Modellbeschreibung:
- 2-reihig mit großem Revers
- kurz, 5–8 cm über Knie
- Vorderteil sehr hoch ausgeschnitten
- Untertritt kommt unter Übertritt hervor
- sehr schmale Schultern
- sehr eng geschnitten, je nach Unterkleidung nur 3 cm Mw im Bu-Bereich
- evtl. versteckter Abnäher unter Revers
Französische Weste
Modellbeschreibung:
- sehr eng
- endet in der Taille
- Kragen bis an Reversbruch, zwischen 5,5 cm und bei langen Hälsen 7 cm hoch
- Reversbruch kann wegen der großen Halsbinde noch zurückverlegt werden
Französische Hose
Modellbeschreibung:
- ohne Schrittnaht geschnitten
- geeignet für nachgiebige Materialien:
- Leder, Trikot oder Schrägschnitt
- Zugaben für Beinform nur an Außennaht möglich, extrem hoch geschnitten, um zu vermeiden, dass unter der sehr kurzen Weste das Hemd hervorkommt
- Bund muss oben aufgedreht sein
- muss mit Hosenträgern getragen werden
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Ich schreibe ein Buch über einen Breslauer Fabrikanten des 18. Jahrhunderts. Von ihm gibt es nur ein Porträt in einem Frack, der der Skizze zum “Französischen Frack” sehr ähnelt. Mehrere Einzelheiten konnte ich durch Ihre Beschreibung viel besser verstehen. Vielen Dank!